29.06.2016

Falschspiel bei Glyphosat-Zulassung
Berlin schiebt Verantwortung auf EU

Die Flaschspieler - Gemälde von Caravaggio, um 1594
Das Monsanto-Pestizid Glyphosat wird in der EU für weitere 18 Monate zugelassen. Doch die deutsche Bundesregierung will für diese unpopuläre Entscheidung nicht gerade stehen und hat sich zum Schein bei der entscheidenden Abstimmung auf EU-Ebene enthalten. Sie spielt dabei wieder einmal mit gezinkten Karten und schiebt die Verantwortung an die EU-Kommission weiter. Wie viele Beispiele der Vergangenheit zeigen, bedeutet die Enthaltung der Bundesregierung de facto eine Zustimmung. Denn wenn die Voten der Regierungen der 28 EU-Mitgliedstaaten keine qualifizierte Mehrheit ergeben, trifft die EU-Kommission die Entscheidung - und diese hat sich schon lange für die weitere Zulassung von Glyphosat ausgesprochen.

Daß dieses Spiel mit gezinkten Karten in der europäischen Öffentlichkeit wenig bekannt ist, liegt offensichtlich daran, daß von den Mainstream-Medien nicht darüber berichtet wird, welche unausweichlichen Konsequenzen die Stimmabgabe der deutschen Bundesregierung auf EU-Ebene hat. Und so kann der unkomplizierte Trick über die Jahre hinweg immer wieder neu inszeniert werden (Siehe unsere Artikel vom 28.04.2004 bis zum 12.05.2016). Wie zu erwarten hat die EU-Kommission nun die Zulassung für Glyphosat verlängert - zunächst um 18 Monate.

Die Zulassung für Glyphosat in der EU wäre morgen, am 30. Juni, ausgelaufen. Dem US-amerikanische Agro- und Chemie-Konzern Monsanto hat das Pestizid im vergangenen Jahr Milliarden-Umsätze verschafft. Seit Jahren steigt weltweit der Einsatz der krebsverdächtigen Chemikalie:

Glyphosat - Weltweiter Einsatz in der industriellen Landwirtschaft, 1995, 2000, 2005, 2010, 2014 - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Nicht-Kommerziell 3.0

Relativ neu ist die Einstufung des Mittels als wahrscheinlich krebserregend durch WissenschaftlerInnen der WHO im vergangenen Jahr. Davor galt das seit 1974 vermarktete Glyphosat offiziell als unbedenklich für die menschliche Gesundheit. Dennoch gab es seit Jahren anhand widersprüchlicher Studien-Ergebnisse eine kontroverse wissenschaftliche und öffentliche Auseinandersetzung um den Einsatz von Glyphosat in der industriellen Landwirtschaft. Nun soll in den kommenden Monaten die europäische Chemikalienagentur ECHA eine neue Bewertung vornehmen. Vor dem Hintergrund der bekannten Verflechtungen von ECHA-WissenschaftlerInnen mit der chemischen Industrie und der Rolle, die ECHA bei der Verwässerung der europäischen Chemikalien-Richtlinie REACH spielten, ist das Ergebnis leicht vorhersehbar.

Seit über einem Vierteljahrhundert beweist die Bio-Landwirtschaft nunmehr, daß auf den Einsatz der für die Artenvielfalt unbestreitbar schädlichen Pestizide verzichtet werden kann. Mit der Bio-Landwirtschaft könnten nachweislich weltweit genug Nahrungsmittel erzeugt werden, um die gesamte Menschheit zu versorgen. Der Hunger auf diesem Planeten hat ausschließlich soziale und ökonomische Ursachen.

Auch die Umwelt-Organisation BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) blendet die negative Rolle der deutschen Bundesregierung, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, des Vize-Kanzlers Sigmar Gabriel, der "Umwelt"- und Atom-Ministerin Barbara Hendricks und des Ministers für industrielle Landwirtschaft ("Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft") Christian Schmidt konsequent aus. In einer aktuellen Medien-Mitteilung heißt es etwa: "Bundesumweltministerin Hendricks und Wirtschaftsminister Gabriel müssen ihrer Ablehnung von Glyphosat jetzt Nachdruck verleihen." Damit suggeriert der BUND, daß sich die Politik "roter" Spitzen-PolitikerInnen wie Gabriel oder Hendricks nicht nur in Worten, sondern auch in Taten von der ihrer "schwarzen" Kabinetts-KollegInnen unterscheide. Schon in der Vergangenheit zeigte sich der BUND bei der Kritik gegenüber "Rot-Grün" deutlich gehemmt. Dies darf allerdings bei den personellen Verflechtungen mit dem "rot-grünen" politischen Spektrum nicht verwundern (Siehe etwa das Beispiel des stellvertretenden BUND-Vorstandsvorsitzenden Klaus Brunsmeier und dessen Sitz in der Atommüll-Endlager-Kommission).

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Glyphosat in konventionellem Wein
      und Traubensaft (12.05.16)

      TTIP-Leak
      Greenpeace stellt TTIP-Dokumente online (1.05.16)

      Glyphosat in vielen Lebensmitteln
      Bundesregierung verharmlost Pestizid (27.02.16)

      Pestizid in deutschen Bieren
      Rein trotz Glyphosat? (25.02.16)

      Deutschlands Meeresschutz am Ende?
      Umwelt-Verbände kritisieren Bundesregierung scharf
      (22.02.16)

      Giftiges Trinkwasser in US-Stadt Flint
      seit März 2014 (18.01.16)

      Hendricks schützt Plastiktüten
      nach Vorbild des Klima-Gipfels von Paris (21.12.15)

      Thunfisch und Quecksilber
      EU-Kommission will Grenzwert lockern (16.09.15)

      Industrielle Landwirtschaft gefährdet Grundwasser
      Strenge Düngeverordnung gefordert (24.10.14)

      Industrielle Landwirtschaft tötet
      Fischsterben in der Elbe (24.07.14)

      Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
      Bundesregierung untätig (17.06.14)

      Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
      als bislang angenommen (16.06.14)

      Wald-AIDS 2013
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
      verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)

      Agrar-Subventionen
      BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)

      VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
      darf Pestizide enthalten (2.08.13)

      Phosphat-Dünger
      Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Pestizide vernichten Amphibien
      Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)

      Speer-Azurjungfer ist Libelle des Jahres 2013
      Vom Aussterben bedroht (5.01.13)

      Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
      ist "mangelhaft" (25.10.12)

      Flächenfraß weiter lebensgefährlich
      BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)

      Greenpeace deckt auf
      Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)

      Gartenrotschwanz bald ausgerottet
      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)

      BUND fordert Aufgabe der Pläne
      zum Elbe-Ausbau und Elbe-Saale-Kanal (9.02.11)

      Uran im Trinkwasser
      foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Die Ostsee stirbt
      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

      Hormone im Klärwasser
      Arzneimittelrückstände bedrohen Fische (17.04.10)

      Ostsee-Pipeline gefährdet Ökosystem
      WWF fordert Kompensationen (21.12.09)

      Uran im Trinkwasser
      'Foodwatch' kritisiert zu hohe Belastung (26.11.09)

      Umweltfrevel im Nationalpark
      Nothafen Darßer Ort wird ausgebaggert (6.11.09)

      Deutschlands Wasserverbrauch:
      160 Milliarden Kubikmeter jährlich (3.08.09)

      Der Rhein wird aufgeheizt
      AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

      Globale Wasserkrise steht bevor
      Weltwasserforum 2009 in Istanbul (15.03.09)

      Hormone im Mineralwasser
      Plastikflaschen in der Kritik (12.03.09)

      Die Ostsee stirbt
      Immer weniger Schweinswale (28.01.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Steigende Pestizidbelastung
      bei konventionellem Obst und Gemüse
      Politik fördert weiterhin einseitig agro-industrielle Landwirtschaft
      (24.07.08)

      Umweltverbrechen Mais-Anbau
      Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser (18.05.08)

      "Umwelt"-Minister Gabriel macht den Coca-Cola-Vertreter
      in der Schule
      Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)

      Die Ostsee stirbt
      Gabriel desinteressiert (15.11.07)

      Die Ostsee stirbt
      Deutschland schaut zu (28.09.07)

      Wasser,
      globale Umweltzerstörung und Klimakatastrophe (14.05.07)

      Schmetterlinge in Deutschland
      80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)

      Explosivstoff Wasser
      Nahost braucht eine gerechtere Verteilung... (1.02.04)

      Agrar-Wende
      Nichts als heiße Luft (24.01.04)

      Wasser und Weltbank (13.07.03)

      Wer gräbt den Armen
      das Wasser ab? (30.03.03)

      Wucher mit Wasser
      Die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung (22.03.03)

 

neuronales Netzwerk