Umfang und Risiken der Krise
erstmals öffentlich eingestanden
US-Präsident George W. Bush hielt gestern (Mittwoch) abend mit seiner TV-Ansprache die erstaunlichste Rede eines Präsidenten seit Jahrzehnten.
Sie kam einem Offenbarungseid gleich. Wer bisher noch den Kopf in den Sand steckte und darauf vertraute, die Banken-Krise werde allenfalls zu empfindlichen Folgen für Inverstoren oder Aktionäre führen, wurde vom US-Präsidenten höchstpersönlich eines besseren belehrt: "Großen Teile des amerikanischen Finanzsystems droht das Aus. (...) Mehr Banken können zusammenbrechen, auch an Ihrem Heimatort." Ein weiterer Sturtz an den Börsen "kann Ihre Altersversorgung gefährden. Der Wert Ihres Eigenheims kann abstürzen. (...) Wenn Sie ein Geschäft oder eine eine Farm besitzen, kann es für Sie schwer werden, Kredit aufzunehmen. Mehr Unternehmen würden scheitern und Millionen Amerikaner könnten den Job verlieren. (...) Selbst wenn Sie eine gute Kreditlinie eingeräumt bekommen haben, kann es für Sie schwer werden, Geld für ein neues Auto oder für die Collegeausbildung Ihrer Kinder zu bekommen.
(...) Unsere gesamte Volkswirtschaft ist in Gefahr."
Bush warnte vor einer "langen und schmerzlichen Rezession."
Die von Bush dargelegte Perspektive könnte nun allerdings leichthin als pure Drohung interpretiert werden, um so gegen erkennbare Widerstände das geplante 700-Milliarden-Rettungspaket für die US-Finanzwelt durchzudrücken. Denn im US-Kongress gibt es unerwartet heftigen Widerstand unterhalb der direkten Führungsebene der beiden US-Parteien, den "Democrats" und "Republicans". Leider jedoch hat Bush recht und bei einem Zusammenbruch der US-Banken wird infolge der globalen Verflechtung unweigerlich eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst, gegen die sich jene der 30er Jahre harmlos ausnimmt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch wird auch mit dem 700-Milliarden-Rettungspaket das Ruder nicht mehr herumzureißen sein und es ist Zeit, sich auf Hungerkatastrophen und die Entvölkerung ganzer Landstriche in den USA, in Europa und in China einzustellen.
Bush erklärte nun dem staunenden US-amerikanischen TV-Publikum: "Die meisten Wirtschaftsexperten sagen, daß die Krise, die wir heute sehen, sich über einen langen Zeitraum entwickelt hat." Doch nicht nur die US-Regierung und sämtliche Regierungen weltweit, sondern auch die Mainstream-Medien leugneten noch bis Ende Juli 2007, daß es zu einer Banken-Krise kommen könne. Auch in den Monaten danach (von den Archiven sollten rechtzeitig Sicherungskopien hergestellt werden) wurden Begriffe wie Banken- oder Finanz-Krise tunlichst gemieden.
Eine Auskunft über die Ursachen dieser sich nun als Weltwirtschaftskrise äußernden Entwicklung war allerdings weder von George B. Bush noch von seinen Stichwortgebern zu erwarten. Allenfalls die im Rückblick nicht mehr zu übersehenden äußeren Anzeichen wie etwa billige Wohnungskredite und angeblich zu riskantes - aber systemimmanentes - Handeln der Banken wurden vom US-Präsidenten erwähnt. Manches klang auch unfreiwillig komisch: "Plötzlich hatten Investmentbanken riesige Mengen Wertpapiere in ihren Büchern, die sie nicht mehr verkaufen konnten."
Acht Tage nach der Regierungshilfe für den Versicherungs-Konzern AIG, zehn Tage nach dem Kollaps der Bank Lehman Brothers, fast drei Wochen nach der Übernahme der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac schenkte Bush seinem Land reinen Wein ein. Er tat das unter dem Eindruck eines Kongresses, der nicht wie gewünscht sofort zustimmt. Und dies hat seine Ursache darin, daß laut Meinungs- umfragen eine Mehrheit in den USA entschieden gegen die gigantische Subventionierung der US-Banken ist. Dank mangelnder Information ist es den Menschen in den USA auch nach der TV-Ansprache nicht klar, daß einmal mehr nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt.
Selbstverständlich gäbe es einen Ausweg aus dem Dilemma. Der Schlüssel hierfür liegt nicht bei Bush, sondern bei der Mehrheit der Menschen. Das kapitalistische Wirtschaftssystem kann ebenso wenig auf Dauer stabilisiert werden wie das bereits untergegangene "real-sozialistische", das auf einer Zentralisierung der wirtschaftlichen und damit notwendiger Weise auch politischen Macht basierte. Die Alternative liegt in einem dezentralisierten und demokratisch kontrollierten Wirtschaftssystem. Allein eine solche ökonomische Basis kann eine soziale und friedliche Gesellschaft tragen und bietet zudem die Chance, die Klimakatastrophe noch weitgehend zu vermeiden.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe unsere Artikel zum Thema:
Warren Buffett greift ins fallende Messer
5 Milliarden für Goldman Sachs (24.09.08)
Versuch der US-Regierung: 700 Milliarden US-Dollar
zur Rettung der Finanzwelt (22.09.08)
Wirtschaftskrise:
US-Regierung mußte Versicherer AIG retten
Morgan Stanley im Sog
Britische HBOS wankt (17.09.08)
Lehman-Kollaps läßt Kurse sinken
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BoA schluck Merrill Lynch
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Das Karussell dreht sich immer schneller (11.09.08)
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Banken-Krise schlägt auf US-Wirtschaft durch (18.07.08)
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Hohe US-Arbeitslosenquote (7.06.08)
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Banken-Krise: Bradford & Bingley kippt (2.06.08)
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Dramatischer Wirtschaftseinbruch in den USA (30.04.08)
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Banken-Krise geht an die Substanz (1.04.08)
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Banken-Krise erzwingt Zinssenkung auf 2,25 Prozent (18.03.08)
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Banken-Krise schlägt scheinbar über Nacht zu
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(13.02.08)
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Banken-Krise schüttelt deutsche Börse (15.01.08)
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(23.12.07)
Rote Zahlen bei US-Bank Morgan Stanley
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43 Milliarden Euro Verlust drohen weiterhin (14.12.07)
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10 Milliarden an weiteren Abschreibungen bei der UBS
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in den Strudel der Banken-Krise (10.12.07)
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Britischer Schatzkanzler in der Klemme (17.11.07)
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Bear Stearns in Verlustzone (14.11.07)
Zweitgrößte US-Bank:
3 Milliarden Abschreibungen (13.11.07)
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EZB opfert Euro-Stabilität (8.11.07)
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(31.10.07)
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Banken-Krise: Britische Notenbank warnt
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Banken-Krise gewinnt Schwung (24.10.07)
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Ein "Triumph" in der Banken-Krise? (17.10.07)
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(15.10.07)
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Werden 80 Milliarden US-Dollar ausreichen? (14.10.07)
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