Die JuristInnen Britta Eder und Petra Dervishaj haben bei Generalbundesanwalt Peter Frank eine Klage gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eingereicht. Sie werfen diesem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den kurdischen Gebieten der Südosttürkei vor. Ob der seit Oktober 2015 amtierende neue Generalbundesanwalt - anders als sein Vorgänger Harald Range im Falle der Klagen wegen der Totalüberwachung Deutschlands durch US-Geheimdienste - die Klage ernsthaft prüfen wird, darf bezweifelt werden.
Die Anzeige gegen Erdogan ist prinzipiell nicht aussichtslos, da sie auf dem für BRD verbindlichen Völkerstrafgesetzbuch beruht. Hinter die Anzeige haben sich auch zahlreichen Menschen und Organisationen aus Deutschland gestellt - darunter der in Köln ansässige 'Verein für Demokratie und internationales Recht MAF-DAD'. Eder und Dervishaj vertreten nach eigenen Angaben die Familien von zwei Getöteten und einem türkischen Parlamentsabgeordneten der als pro-kurdisch geltenden Partei HDP. Die HDP wird durch türkische Staatsorgane offensichtlich in vielfältiger Weise illegal bekämpft. In dem mehr als 200 Seiten umfassenden Anzeige-Text geht es zu großen Teilen um Verbrechen des türkischen Staates in der Stadt Cizre, die durch Aussagen vieler ZeugInnen gut dokumentiert seien.
In der Anzeige kommt einerseits die Sorge über ein weiteres Abtriften der Türkei in Richtung Diktatur zum Ausdruck, die angesichts der jüngsten Entwicklungen durchaus berechtigt ist - andererseits eine kaum verhohlene Sympathie-Bekundung für Abdullah Öcalan.
Nach wie vor übt die Erdogan-Regierung Statthalter-Funktionen für die EU im Nahen Osten aus - nicht zuletzt durch das am 18. März 2016 abgeschlossene Flüchtlings-Rückhalte-Abkommen zwischen der EU und der Türkei, das den Zustrom von Flüchtlingen in die "Festung Europa" deutlich reduzierte und vor allem den Mächtigen in Deutschland nützt. Wie nun durch eine erzwungene Auskunft des Bundesfinanzministeriums bekannt wurde, summiert sich der deutsche Anteil an der sogenannten Heranführungshilfe der Europäischen Union für den türkischen Staat allein in den sieben Jahren von 2007 bis 2014 auf knapp 1,1 Milliarden Euro.
Anmerkungen
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