Weltnaturschutzunion IUCN hilflos
Die Weltnaturschutzunion IUCN hat heute eine niederschmetternde Bilanz vorgelegt. Nach Angaben von IUCN-Expertin Jane Smart kann es keinen wissenschaftlichen Zweifel geben, daß die ernsthafte Bedrohung der Arten weiter ansteigt. Das UN-Millenniumsziel, bis 2010 die Zahl der bedrohten Tier- und Pflanzenarten zu senken, wurde weit verfehlt.
Immer mehr Arten mußten auf die Rote Liste gesetzt werden. Rund ein Drittel aller Amphibien ist bedroht. Noch düsterer als für die Fauna steht es um die Zukunft der Flora: Bei den Pflanzen gelten 70 Prozent als akut gefährdet. Von insgesamt 47.677 untersuchten Tier- und Pflanzenarten müssen 17.291 als "vom Aussterben bedroht" bezeichnet werden. Betroffen sind also 3 Millionen von insgesamt rund 10 Millionen Tier- und Pflanzenarten unseres Planeten. Auf der Roten Liste stehen 21 Prozent der bekannten Säugetiere, zwölf Prozent der Vögel, 28 Prozent der Reptilien und 37 Prozent der Süßwasserfische. In den Weltmeeren muß wegen der anhaltenden Überfischung mit einem Zusammenbruch des gesamten Ökosystems innerhalb der kommenden Jahre gerechnet werden.
Während immer deutlicher wird, daß "die Politik" seit zwei Jahrzehnten nur leere Versprechen gegen den Klimawandel zu bieten hat und vom bevorstehenden "Klima-Gipfel" im Dezember in Kopenhagen nichts zu erwarten ist, setzen Umweltverbände immer noch auf "Artenschutz-Konventionen" und internationale Konferenzen, um mit Hilfe von Regierungen eine Wende beim Artensterben herbeiführen zu können. Derweil heißt es nun beispielsweise auf der aktuellen Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN), die am Dienstag veröffentlicht wurde: "Nectophrynoides asperginis: Extinct in the wild".
Wer die Kihansi-Gischtkröte (Nectophrynoides asperginis) heute noch lebend sehen will, muß sie in Terrarien in US-amerikanischen Zoos besichtigen. Zwei Zoos - der Toledo Zoo in Ohio und die Wildlife Conservation Society in New York - bieten einen Blick auf diese lebenden Fossilien. Bereits im Jahr 2000 fürchteten TierschützerInnen in Tansania wegen des Baus eines Wasserkraftwerks um das Überleben der Kihansi-Gischtkröte. Deshalb wurden einige hundert Tiere gesammelt und in US-amerikanischen Zuchtstationen gebracht.
Einst lebte die Kihansi-Gischtkröte in einer Schlucht des Kihansi-Flusses in Tansania. Doch mit "Entwicklungshilfe"-Geldern unter anderem der Weltbank baute die tansanische Regierung ein Wasserkraftwerk. Der Staudamm sorgte dafür, daß in dem ehemaligen Habitat der Amphibien nur noch 10 Prozent des Wassers ankam. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2001 sank die Population der Kihansi-Gischtkröte um rund 15.000 auf nur noch 2.000 Exemplare. 2005 wurden noch 52 lebende Exemplare gezählt. Mittlerweile ist die Art ausgestorben. Eine Auswilderung aus Zoo-Beständen gilt als aussichtslos.
Amphibien wie Frösche, Kröten, Unken, Molche und Salamander leiden immer mehr unter den von Menschen verursachten Umweltveränderungen. Von den auf der Welt bekannten 6.285 Amphibienarten sind 1.895, also etwa ein Drittel, vom Aussterben bedroht.
Neu auf der Roten Liste ist das mäuseartige Nagetier Voalavo (Voalavo antsahabensis), das auf Madagaskar lebt. Es ist in seinem Lebensraum durch Wild- und Feuerrodungen im Regenwald gefährdet. Bei den Reptilien sind 165 gefährdete Tiere neu auf die Rote Liste gekommen, darunter der Panay-Waran (Varanus mabitang), eine Echse von den Philippinen, die sich von Früchten ernährt. Sie wird zum Verzehr gejagt. Landwirtschaft und menschliche Siedlungen bedrohen ihren Lebensraum.
Von insgesamt rund 5.490 Säugetier-Arten stehen rund 1.150 Arten auf der Roten Liste. Ein typisches Beispiel der Tiger. Nur noch etwa 3.200 der majestätischen Katzen leben in freier Wildbahn. Die großen Beutegreifer benötigen vor allem eines: Platz. Aber davon überläßt "der Mensch" den Katzen immer weniger. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurde der Tiger um rund 40 Prozent seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes beraubt. Daß dieses Problem nicht allein Asien oder Sibirien betrifft, beweist das traurige Schicksal des Pradel-Luchses in Spanien. (Siehe hierzu unseren Artikel v. 10. März 2005)
Auch dem Eisbär wird buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen. In Folge des menschengemachten Klimawandels geht in der Arktis immer mehr Eisfläche verloren. Hinzu kommt die Pestizid-Belastung, die den Eisbär-Beständen schwer zu schaffen macht. In der Artktis konnten zwar noch rund 20.000 bis 25.000 Exemplare gezählt werden. Aber steigende Temperaturen lassen das Eis unter ihren Tatzen zerrinnen. Je früher das Packeis schmilzt, desto eher müssen die Bären sich aus ihren Jagdgebieten zurückziehen. Insbesondere den Eisbärmüttern bleibt oft nicht genug Zeit, um sich den nötigen Speck anzufressen, damit sie genug Milch für ihre neugeborenen Jungen bilden können. Viele Eisbären verhungern bereits in ihrem ersten Lebensjahr. Da hilft ihnen kein Zeitungsfoto von Angela Merkel und Siegmar Gabriel im orangfarbenen Anorak vor weißem Grönland-Hintergrund.
Rund 8.500 von 12.151 bekannten Pflanzen-Arten stehen auf der Roten Liste. Für 114 kommt jede Hilfe zu spät - sie sind bereits verschwunden oder existieren nur noch in ganz geringer Zahl. Dazu gehört etwa das Ananasgewächs "Königin der Anden" (Puya raimondii). In dessen 80-jährigen Existenz erzeugt es nur einmal Samen.
"Meist ist es nicht ein einzelner Grund, der das Aussterben einer Art besiegelt", sagt Volker Homes, Artenschutz-Experte beim World Wildlife Fund (WWF). Wenn das Verbreitungsgebiet ohnehin klein sei, etwa in entlegenen Berg- oder Inselregionen, könnten kleine Veränderungen oder eine Krankheit eine Art endgültig auslöschen. Doch ursächlich ist ist in den allermeisten Fällen die Profitgier großer Konzerne. Viele Tiere werden bereits ausgestorben sein, bevor sie die Menschheit überhaupt zu Gesicht bekomme, befürchtet der WWF.
Neben dem Verlust einmaliger Lebensräume, etwa durch die Abholzung der Regenwälder, bewirken der menschengemachte Klimawandel, Raubbau und die Übernutzung einzelner Arten das zu beobachtende Fiasko. Letztlich entzieht sich die Menschheit damit selbst die Lebensgrundlage. Allein mit dem Verschwinden der Bienen, wäre das Aussterben des Menschen unwiderruflich besiegelt. So hatte bereits Albert Einstein erkannt: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr - keine Bestäubung mehr - keine Pflanzen mehr - keine Tiere mehr - keine Menschen mehr..."
Es wird immer deutlicher, daß ein Ende des Artensterbens erst eingeläutet werden kann, wenn weltweit der auf Profit-Maximierung basierende Kapitalismus durch ein demokratisches Wirtschaftssystem abgelöst wird.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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Zunahme der Wilderei
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IUCN-Studie:
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Bienensterben:
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