13.11.2009

AKW Biblis
Block B wird erneut hochgefahren

Weiter äußerst gefährlich

Nach dem angeblichen "rot-grünen" Atom-Ausstieg aus dem Jahr 2000 sollte Block B des AKW Biblis bereits am 31. Januar 2009 stillgelegt werden. Für Biblis A war in einer vom Bundes-"Umwelt"-Ministerium veröffentlichten Tabelle sogar das Datum 26. Februar 2007 zu finden. Davon ist längst nicht mehr die Rede und in den Mainstream-Medien wird den Menschen eingeredet, erst jetzt, nachdem in Berlin "Schwarz-Gelb" regiert, drohten "Laufzeitverlängerungen".

Bereits im Jahr 2000 war klar, daß es sich beim propagierten Atom-Ausstieg tatsächlich um eine Bestandsgarantie für die deutschen Atomkraftwerke handelte. Von 19 Reaktoren wurden in den vergangenen 9 Jahren lediglich 2 stillgelegt: das AKW Stade und das AKW Obrigheim. Das AKW Stade, das im November 2003 stillgelegt wurde, war bereits vor 1998 unrentabel und wurde nur weiterbetrieben, um den "Atom-Ausstieg" glaubwürdig zu gestalten. Vor der Regierungsübernahme durch "Rot-Grün" im Jahr 1998 hatte der damalige Betreiber des AKW Stade, HEW, dieses selbst als unrentabel bezeichnet.

In dem im Jahr 2000 beschlossenen "Atom-Ausstieg" wurden keinesfalls - wie es immer wieder gerne kolportiert wurde - "Restlaufzeiten" festgelegt, sondern "Reststrommengen". Laut den rechnerisch nicht nachvollziehbaren, vom Bundes- "Umwelt"-Ministerium in der genannten Tabelle veröffentlichten Abschalt-Terminen hätten sich durchschnittliche Laufzeiten von 32 Jahren pro Reaktor ergeben.

Das AKW Obrigheim stammte aus dem Jahr 1968. Es wurde erst im Jahr 2005 stillgelegt und war demnach nicht 32, sondern 37 Jahre in Betrieb: eine Laufzeitverlängerung um 5 Jahre. Laufzeitverlängerungen fanden bereits in den vergangenen Jahren real nicht nur beim AKW Biblis A statt, das angeblich am 26. Februar 2007 hätte stillgelegt werden sollen, sonden bei drei weiteren Reaktoren:
Neckarwestheim I    1. Dezember 2008
Biblis B                     31. Januar       2009
Brunsbüttel                9. Februar     2009

Die der Tabelle zugrundeliegenden "Laufzeiten" von durchschnittlich 32 Jahren pro Reaktor kamen allerdings unter der fadenscheinigen Annahme zustande, daß die im Jahr 2000 in der Mehrzahl bereits überalterten Reaktoren ebenso viel Strom pro Jahr produzieren würden wie in ihren Anfangsjahren. Dabei war nach den damals vorliegenden Daten längst erkennbar, daß die Reaktoren wegen Reparaturen und "Pannen" immer öfter und immer länger außer Betrieb waren.

Die Atom-Lobby behauptet stets, deutsche Atomkraftwerke seien absolut sicher und ihre Technologie sei zweifellos zuverlässig. Tatsächlich jedoch wachsen die Stillstandszeiten von Jahr zu Jahr. Die beiden Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sind mittlerweile ununterbrochen seit über zwei Jahren, seit Juni 2007, außer Betrieb. Das AKW Brunsbüttel hält den deutschen Rekord: Von den mittlerweile 33 Jahren Laufzeit war der Meiler insgesamt neun Jahre nicht am Netz. Unter der unrealistischen Grundannahme, die der Tabelle des Bundes-"Umwelt"-Ministeriums zugrundelag, muß also damit gerechnet werden, daß das AKW Brunsbüttel noch mindesten neun Jahre in Betrieb bleibt. Unter realistischen Annahmen bezüglich der Stillstandszeiten wäre - eine Katastrophe außer acht gelassen - eher mit weiteren 20 Jahren zu rechnen.

Der Reaktor in Biblis A war in seiner bisher 35-jährigen Laufzeit insgesamt fünf Jahre abgeschaltet, das AKW Krümmel in 26 Jahren Laufzeit vier Jahre nicht am Netz. Biblis B hatte in 33 Jahren Laufzeit über drei Jahre Stillstand. In diesem Sommer standen für einen längeren Zeitraum zugleich 6 Reaktoren still. Selbstverständlich stellt dies für die Stromversorgung kein Problem dar, da die Bundesrepublik dennoch im Jahresdurchschnitt netto den Strom von mehreren Atomkraftwerken exportiert.

Seit 1974 wurden den Atom-Aufsichtsbehörden insgesamt 306 Reaktorschnellabschaltungen gemeldet. Dies ist - entgegen einer merkwürdigen Aussage des Ökoinstituts - keineswegs unbedenklich. Denn zum einen belastet eine Reaktorschnellabschaltung die Anlage und insbesondere den Reaktordruckbehälter erheblich, zum anderen beweist der Totalschaden am Atomkraftwerk Gundremmingen A infolge einer Schnellabschaltung im Jahr 1977, daß der mit dem plötzlichen Einspeisen kalten Wassers in den heißen Reaktorkern verbundene Temperaturschock keineswegs ungefährlich ist. Die meisten Abschaltungen gab es in den baden-württembergischen Atomkraftwerken Neckarwestheim Block 1 und und Philippsburg Block 1 mit jeweils 39.

Block B des Atomkraftwerkes Biblis wird aktuell nach einer Revision erneut hochgefahren. Er war bereits am 24. Januar 2009 für diese Revision vom Netz gegangen. Wie der Betreiber RWE am gestrigen Donnerstag mitteilte, wird der Meiler voraussichtlich in den kommenden Tagen unter Vollast Strom ins Netz einspeisen. Die zuletzt vorgenommenen Arbeiten am Reaktor kosteten laut RWE 142 Millionen Euro. Nicht viel in Anbetracht dessen, daß ein abgeschriebenes Atomkraftwerk pro Reaktor und Tag gut eine Million Euro Gewinn abwirft - vorausgesetzt es produziert Strom und steht nicht still.

Biblis B war zuletzt im Oktober in die Schlagzeilen geraten, nachdem ein Regierungsgutachten publik geworden war. Demnach hatten ReaktorsicherheitsexpertInnen der Bundesregierung mindestens 53 schwerwiegende Sicherheitsmängel in AKW Biblis B aufgelistet. Gegen den Betrieb von Biblis B läuft derzeit eine Klage vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Ein Trumpf der KlägerInnen: In einem internen Vermerk hatte die hessische Landesregierung selbst eingeräumt, daß Biblis B nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entspreche.

Biblis A ist derzeit noch in der Revision und soll laut RWE im Januar wieder ans Netz gehen. Zu erinnern ist beispielsweise an einen schweren Störfall im AKW Biblis A kurz vor Weihnachten 1987, der nicht nur sehr bedenklich war, sondern zudem vom Betreiber RWE ein Jahr lang geheimgehalten wurde. Der damalige Umweltminister Karlheinz Weimar gestand in einer Regierungserklärung, der Störfall hätte mit "höherer Wahrscheinlichkeit" zur Katastrophe führen können. Doch die Aufseher in Bonn und Wiesbaden benötigten ganze neun Monate, "bis sie wenigstens intern zugaben, daß die dichtbesiedelte Rhein-Main-Region gerade nochmal davongekommen war." (Der Spiegel, Hamburg, Nr. 51, S. 27,28, 19.12.1988)

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Blackout in Brasilien
      "Das sicherste Stromnetz der Welt" und die Atombombe (11.11.09)

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      'Zeit'-Herausgeber Josef Joffe produziert geistlose Atomkraft-PR
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      Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)

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      1,5 Milliarden Euro bereits für Ausbau als "Endlager" investiert
      (28.05.09)

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      Nachtrag zum Gorleben-CASTOR:
      Amt mußte Strahlenmeßgeräte leihen (17.02.09)

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      Kommt nun doch die "Renaissance der Atomenergie"? (5.02.09)

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      Kein Atommüll-Zwischenlager in Hanau
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      Slowakei verzichtet auf Wiederinbetriebnahme
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      Gas-Streit dient als Vorwand (11.01.09)

      Renaissance der Atomenergie?
      Wo in aller Welt? (7.01.09)

      Atom-Ausstieg selber machen!

      Der deutsche "Atom-Ausstieg"
      Folge 2 der Info-Serie Atomenergie

 

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