Die Umwelt-Organisation NABU vergibt den "Dinosaurier des Jahres" diesmal an Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen "Bauern"-Verbandes DBV. Rukwied und der Lobby-Verband der deutschen Agro-Industrie streiten die Verantwortung der industriellen Landwirtschaft für das Artensterben ab und Rukwied verteidigt laut NABU beharrlich ein Milliarden Euro teures Subventions-System, das zulasten von Natur, LandwirtInnen und SteuerzahlerInnen geht.
Rukwied selbst ist ein Profiteur des deutschen Höfesterbens. Ab 1987 beteiligte er sich als Partner einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) am elterlichen Hof in Eberstadt im Landkreis Heilbronn, der damals 80 Hektar Land und 25 Milchkühe umfaßte. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Hofgröße in Baden-Württemberg lag 2010 bei 32 Hektar, der Bundesdurchschnitt bei 56 Hektar. Er übernahm den Hof 1994 und bewirtschaftet heute insgesamt 290 Hektar - nach anderen Angaben fast 350 Hektar, wobei weitere 240 Hektar - nach anderen Angaben 285 Hektar - Pachtfläche aus der Beteiligung an einer Ackerbau-GbR hinzu kommen. Seit 1975 ist die Zahl der Bauernhöfe in Deutschland von über einer Million auf 285.000 gesunken - ein deutliches Zeichen des durch das Profit-Prinzip erzwungenen "Wachsen oder Weichen".
Die Konzentration der in Deutschland landwirtschaftlich genutzten Fläche in immer weniger Händen wird durch eine Subventionspolitik forciert, die vorrangig den großen industriellen Agro-Betrieben zugutekommt (Siehe hierzu auch unseren Artikel v. 28.08.13). Der NABU kritisiert, daß Rukwied mit dieser im Interesse Weniger durchgesetzten Politik, die über den Lobby-Verband DBV und willfährige Partei-PolitikerInnen exekutiert wird, die Zukunft vieler Bäuerinnen und Bauern aufs Spiel setzt.
Der NABU hatte bereits 2001 Rukwieds Vorgänger an der DBV-Spitze, Gerhard Sonnleitner, mit dem Dinosaurier-Preis für dessen hartnäckigen Kampf gegen die Agrar-Wende bedacht. Seither habe sich laut NABU nichts verbessert, im Gegenteil. "Der Zustand von Wiesen und Weiden hat sich dramatisch verschlechtert, die Bestände von Feldvögeln wie Kiebitz und Feldlerche befinden sich ungebremst im freien Fall," erklärte heute NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Das Szenario des "stummen Frühlings" sei keine Panikmache der NaturschützerInnen, sondern werde in großen Teilen unserer Agrarlandschaft zunehmend Realität. "Rebhuhn, Feldhamster und vielen anderen ehemaligen Allerweltsarten fehlt inzwischen der Lebensraum. Sie drohen auszusterben. Gleichzeitig verlieren wir die auch für die Landwirtschaft wichtigen Insekten als Bestäuber und Regulatoren von Schädlingen," so Tschimpke. Die industrielle Landwirtschaft zerstört ihre eigene Grundlage und damit am Ende auch die Lebensgrundlage der Menschheit.
Das Motto des diesjährigen "Bauern"-Tages lautete "Gemeinsam Zukunft gestalten". Doch der Präsident des angeblichen Bauern-Verbandes hat nach Ansicht des NABU bislang weder erkennen lassen, daß er an einem ernsthaften Dialog mit NaturschützerInnen interessiert ist, noch an einer zukunftsfähigen Politik. "Stattdessen werden wissenschaftliche Studien, die das Insektensterben belegen, vom DBV kleingeredet und relativiert. Statt ökologische Herausforderungen anzunehmen, propagiert Rukwied, die Branche sei bereits nachhaltig – wenn es denn Umweltprobleme gäbe, dann seien dafür andere Entwicklungen schuld," kritisiert Tschimke.
Mit fast 40 Prozent ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der größte Posten des EU-Haushalts. Sie ist jedoch aus der Sicht der Umwelt-Verbände hochgradig ineffizient und überwiegend umweltschädlich. Zu diesem Ergebnis kommt nicht nur eine aktuelle Fitness-Check-Studie der europäischen Umweltverbände, auch der Europäische Rechnungshof bestätigt, daß selbst die jährlich zwölf Milliarden Euro des sogenannten 'Greening' der GAP keine nennenswerte Wirkung für die Umwelt entfalten.
Der NABU sieht in den 2018 beginnenden Verhandlungen über die künftige GAP eine große Chance für eine Reform hin zu einer wirklich umweltfreundlichen Ernährungs- und Landnutzungspolitik. Mit der Studie "Fit, fair und nachhaltig – Vorschläge für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik" hat der NABU bereits vor einem Jahr Berechnungen präsentiert, wie sich mit hohen Umwelt-, Tierschutz- und Qualitätsstandards die Natur schützen ließe und man gleichzeitig den LandwirtInnen ausreichend hohe Einkommen sichern könnte. Dafür müssten die bisherigen Pauschal-Subventionen pro Fläche gestoppt werden. Im Gegenzug können LandwirtInnen durch Maßnahmen für die Artenvielfalt ein attraktives Zusatzeinkommen beziehen.
"Wir verlangen das Ende der Blockadehaltung des Deutschen Bauernverbandes. Ich fordere Herrn Rukwied ausdrücklich zum Gespräch und Austausch auf," so NABU-Präsident Tschimpke. Der NABU will nach eigenen Worten den öffentlichen Druck weiter erhöhen. Unter dem Motto "Der Agrarindustrie die Stirn bieten" demonstrieren der NABU und viele Weitere am 20. Januar in Berlin für gesunde und umweltfreundliche Lebensmittel.
Mit dem "Dinosaurier des Jahres", einer 2,6 Kilogramm schweren Nachbildung einer Riesenechse, zeichnet der NABU seit 1993 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus, die sich durch besonders rückschrittliches öffentliches Engagement in Sachen Natur- und Umweltschutz hervorgetan haben. Preisträger 2016 war Bayer-Chef Werner Baumann für dessen angestrebte Fusion von Bayer und Monsanto. Rukwied hatte Anfang Dezember die durch die deutsche Bundesregierung unterstützte weitere Zulassung des Monsanto-Pestizids Glyphosat in der EU begrüßt.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Artenvielfalt und Profit in der Landwirtschaft
Eine agrarökologische Untersuchung (22.08.17)
Nitrat: "Schwarz-Rot" versucht der
Klage der EU zu entgehen (17.02.17)
Hormongifte in Lebensmitteln
Gefährliche Rückstände aus Pestizid-Einsatz (16.12.16)
Bio-Landwirtschaft wächst
sogar in Deutschland ein wenig (14.10.16)
Boom bei Bio-Lebensmitteln in den USA
mit Schattenseite (17.06.16)
Glyphosat in konventionellem Wein
und Traubensaft (12.05.16)
Nitrat im Grundwasser
EU verklagt Deutschland (28.04.16)
Kein Bio-SojaDrink mehr in Pfandflaschen
Nur noch im umweltschädlichen Tetra-Pack (27.04.16)
Feminismus und Agrar-Wende
passen gut zusammen (8.03.16)
Glyphosat in vielen Lebensmitteln
Bundesregierung verharmlost Pestizid (27.02.16)
Pestizid in deutschen Bieren
Rein trotz Glyphosat? (25.02.16)
Global 2000: Naturkosmetik-Check
Frei von hormonell wirksamen Stoffen (21.02.16)
20.000 in Berlin
gegen industrielle Landwirtschaft (16.01.16)
Ausrottung der Vögel in Deutschland
macht Fortschritte (30.10.15)
Bienensterben, Pestizide und Gen-Mais
US-Regierung unterdrückt Forschung (29.10.15)
Pestizid-Fraß im US-Kongress
Cafeteria serviert Neonicotinoide (8.08.15)
Wachsender Widerstand in Ghana
gegen "Monsanto-Gesetz" (1.06.15)
March against Monsanto
Hunderttausende demonstrieren weltweit (26.05.15)
EU-Kommission pusht Gen-Technik
19 genmanipulierte Pflanzen zugelassen (24.04.15)
Pestizide für Bienensterben ursächlich
Industrielle Landwirtschaft zerstört Lebensgrundlagen
(5.03.15)
Vorreiter der Umweltzerstörung
Bericht der Europäischen Umweltagentur (5.03.15)
Wald-AIDS 2014
Zustand zwischen Leben und Tod (11.02.15)
Industrielle Landwirtschaft
rottet Hamster aus (10.02.15)
"Wir haben es satt!"
45.000 für eine Agrar-Wende (17.01.15)
Zweiter Planet im Kofferraum?
Bodenatlas 2015 wenig hoffnungsvoll (8.01.15)
Industrielle Landwirtschaft gefährdet Grundwasser
Strenge Düngeverordnung gefordert (24.10.14)
Industrielle Landwirtschaft tötet
Fischsterben in der Elbe (24.07.14)
Warnung vor Gentech-Landwirtschaft
wegen steigendem Pestizideinsatz (26.06.14)
Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
Bundesregierung untätig (17.06.14)
Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
als bislang angenommen (16.06.14)
Industrielle Landwirtschaft treibt
Klimakatastrophe voran (17.04.14)
Bienensterben international
Industrielle Landwirtschaft untergräbt Lebensgrundlagen (7.04.14)
Wald-AIDS 2014
Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)
Agrar-Wende - Erneuern sich
die Pseudo-Grünen von unten? (27.01.14)
Das Aussterben der Bienen kann
plötzlich und ohne Vorwarnung kommen (6.01.14)
Honig darf verunreinigt werden
Bundesverwaltungsgericht läßt Gen-Kontamination zu (25.10.13)
Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)
Flächenfraß
Täglich 74 Hektar mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche (13.10.13)
Agrar-Subventionen
BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)
Jugend mag Bio
23 Prozent kaufen häufig Bio-Lebensmittel (20.08.13)
VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
darf Pestizide enthalten (2.08.13)
Chemie in Obst und Gemüse
Nur Bio-Lebensmittel unbelastet (17.06.13)
Phosphat-Dünger
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)
Bio-Lebensmittel: Die Produktion in Deutschland
hinkt der Nachfrage hinterher (6.05.13)
Bienen und Wildinsekten sind überlebenswichtig
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (27.02.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)
Pestizide vernichten Amphibien
Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)
Demo in Berlin für Agrar-Wende
25.000 erklären: "Wir haben es satt" (19.01.13)
Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
ist "mangelhaft" (25.10.12)
EU-Kommission versucht Gen-Honig
durch die Hintertür einzuschmuggeln (24.10.12)
Bio-Lebensmittel
- nur ein Mythos? (4.09.12)
Flächenfraß weiter lebensgefährlich
BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)
Bio-Landwirtschaft
Volkswirtschaftlich kostengünstiger (30.04.12)
Artenvernichtung
Osterhase gefährdet? (4.04.12)
Greenpeace deckt auf
Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)
Wald-AIDS greift um sich
Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)
Gartenrotschwanz bald ausgerottet
Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)
Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)
Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)
Neu im Supermarkt:
Pestizid-Cocktail mit Johannisbeeren
Nur Bioläden stehen abseits (27.07.11)
Uran im Trinkwasser
foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)
Appell gegen Massentierhaltung
Für eine Agrar-Wende (23.11.10)
Die Ostsee stirbt
Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)
Erfolg der Bio-Landwirtschaft
mit Artenvielfalt statt Pestiziden (5.07.10)
Greenpeace: Salate nach wie vor
stark mit Pestiziden belastet (3.02.10)
Bio-Landwirtschaft
Option für Klimaschutz
und Sicherung der Welternährung (26.01.10)
Gentechnik erhöht Pestizidverbrauch
in den USA
US-Landwirtschaft benötigte 145.000 Tonnen mehr (18.11.09)
Bundesregierung unterliegt:
Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)
Die Ostsee stirbt
Immer weniger Schweinswale (28.01.09)
Wald-AIDS auch in den USA
Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)
Steigende Pestizidbelastung
bei konventionellem Obst und Gemüse
Politik fördert weiterhin einseitig agro-industrielle Landwirtschaft
(24.07.08)
Greenpeace prangert Chemie-Konzerne an
Umweltgefahren durch Pestizide (16.06.08)
Umweltverbrechen Mais-Anbau
Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser (18.05.08)
Bayer-Chemikalie Clothianidin gestoppt
Zusammenhang mit Bienensterben nun doch nachgewiesen
(17.05.08)
Bayer-Chemikalie Clothianidin in toten Bienen
Angeblich "kein klarer Zusammenhang" (9.05.08)
Bio-Mandarinen deutliche besser
Pestizid-Cocktail auf "normalen" Mandarinen (25.11.07)
Die Ostsee stirbt
Gabriel desinteressiert (15.11.07)
Die Ostsee stirbt
Deutschland schaut zu (28.09.07)
Schmetterlinge in Deutschland
80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)
Eisbär leidet unter Pestiziden (13.09.04)
Paprika mit Pestiziden
Greenpeace enthüllt fortlaufendes Versagen von Künast (2.07.04)
Agrar-Wende
Nichts als heiße Luft (24.01.04)
Bio-Landbau wächst (24.11.03)
Obst- und Gemüse
aus dem Bio-Laden (21.09.03)
Bienensterben
und noch ein Insektizid (14.08.03)
Apollofalter
the scream of the butterfly (19.05.03)