Die Gewerkschaft GDL ruft zum längsten Bahn-Streik der Geschichte auf. Die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG scheiterten nach mittlerweile zehn Monaten Tarifkonflikt erneut an der kompromisslosen Haltung des DB-Vorstands.
Ab heute (Montag) 15 Uhr bestreiken die LokomotivführerInnen der GDL den Güterverkehr und ab Dienstag 2 Uhr den Personenverkehr im Schienennetz der Deutschen Bahn AG. Der Streik soll bis Sonntag dauern. Trotz der sich seit zehn Monaten hinziehenden Verhandlungen blieb der Vorstand der Deutschen Bahn AG (DB) bei seiner kompromisslosen Haltung, mit der GDL keine Tarifverträge für LokrangierführerInnen abzuschließen. Dabei ist längst vor Gericht geklärt, daß die GDL nicht nur für LokführerInnen, sondern auch für die LokrangierführerInnen, ZugbegleiterInnen, BordgastronomInnen, DisponentInnen und AusbilderInnen verhandeln darf.
Hintergrund der mangelnden Kompromissbereitschaft von Seiten des DB-Vorstands ist offenbar das von "Schwarz-Rot" angekündigte "Tarifeinheitsgesetz", das von der "roten" Ministerin Andrea Nahles im Eilverfahren vorbereitet wurde und im Juli im Bundestag verabschiedet werden soll. Mit diesem Gesetz soll die vom Kapital und dem Deutschen Gewerkschaftsbund gefürchtete Kampfkraft sogenannter "Klein-Gewerkschaften" wie GDL, Cockpit (PilotInnen), UFO (FluglotsInnen) und Marburger Bund (ÄrztInnen) gelähmt werden. Diese dürfen dann nur noch für solche "Berufsgruppen" in Tarifverhandlungen verhandeln, die nicht mehrheitlich in einer anderen Gewerkschaft organisiert sind.
Bei den LokrangierführerInnen, die in unbekannter Zahl bei der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) Mitglied sind, versucht der DB-Vorstand deutlich schlechtere Arbeitszeit- und Einkommensbedingungen im Tarifvertrag durchzusetzen. Diese Zustände werden seit Jahren von der DGB-Gewerkschaft EVG geduldet. Die EVG entstand im November 2010 durch eine Fusion der Gewerkschaft Transnet mit der Gewerkschaft GDBA und diese DGB-Gewerkschaften haben von 2002 bis 2012 gemeinsam mit dem DB-Vorstand einen Arbeitsplatzabbau 350.000 auf 190.000 Beschäftigte durchgesetzt. Transnet war zudem in den 1990er-Jahren treibende Kraft bei der Plänen zur Privatisierung der Deutschen Bahn. Zum Dank wurde Transnet-Chef Norbert Hansen im Mai 2008 mit einem lukrativen DB-Vorstands-Posten belohnt.
Der Kampf der GDL, für die LokrangierführerInnen Tarifverträge abschließen zu dürfen, ist vor allem ein Kampf gegen weiteres Lohn-Dumping. Der DB-Vorstand beabsichtigt, die rund 2.500 LokrangierführerInnen, die Züge auf der Strecke führen, weiterhin nur als LokrangierführerInnen einzustufen. Für einen solchen Tafifvertrag steht die EVG bereit. Die GDL will jedoch durchsetzen, daß die LokrangierführerInnen mit den StreckenlokomotivführerInnen gleichgestellt werden. Denn in der Vergangenheit verschob die DB immer mehr Leistungen der StreckenlokomotivführerInnen in diese Bereiche, um die Ausgaben zu senken. "Schluß mit den Billiglokführern, denn wir sind nicht die Hausgewerkschaft EVG! Schon seit 2010 sind wir mit unserem Flächentarifvertrag erfolgreich dabei, das Lohndumping im gesamten Eisenbahnverkehrsmarkt zu beenden. Also muß im Jahr 2015 erst recht beim Marktführer DB damit Schluß sein," so GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky.
Auf die weithin verbreiteten Vorhaltungen, keine Schlichtung zu akzeptieren, erwidert Weselsky: "Es ist gerichtlich geklärt, daß die GDL für ihre Mitglieder Tarifverträge unabhängig abschließen darf. Dies will die Deutsche Bahn AG aber nach wie vor verhindern und setzt in den Verhandlungen auf Ergebnisse mit der EVG. Wir werden in keine Schlichtung gehen, weil wir grundgesetzlich geschützte Rechte in keine Schlichtung bringen." Weselsky sieht die alleinige Verantwortung für die seit Monaten ohne Ergebnis geführten Tarifverhandlungen beim DB-Vorstand. "Die Eskalation verursacht die Deutsche Bahn AG," sagte Weselsky heute in Berlin.
Zuvor hatte unter anderem der "rote" Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel den erneuten Streik scharf kritisiert. Weselsky reagierte mit der Empfehlung, die Bundesregierung solle auf den DB-Vorstand einwirken und so Bundes-Eigentum schützen. Die Bundesregierung sei es doch schließlich gewesen, die sich gegen eine Bundesbahn und für ein privatrechtliches Unternehmen entschieden habe, in dem es nun nur noch wenige nicht streikberechtigte Beamte gebe.
Der einwöchige Streik wäre der bislang längste Streik bei der Bahn und der achte Ausstand in dem seit Juli 2014 andauernden Tarifkonflikt. Insbesondere der Streik im Bereich des Schienengüterverkehrs trifft deutsche Wirtschaft empfindlich mit Profit-Einbußen. Eric Schweitzer, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), prognostizierte die Höhe der Einbußen im 'Handelsblatt' auf insgesamt bis zu einer halben Milliarde Euro. "Lager laufen leer, die Produktion stottert, es kann sogar zu Produktionsausfällen kommen. Wenn der Streik wie angekündigt sechs Tage dauert, kommt die Lieferkette ins Stocken," so Schweitzer.
Offenbar geht es tatsächlich um einen Machtkampf, denn von den in Frage stehenden hunderten von Millionen Euro würde ein Bruchteil genügen, um sämtliche Forderungen der GDL selbst ohne Kompromisse zu erfüllen. Es geht dem DB-Vorstand darum, mit einer zahnlosen Gewerkschaft wie der EVG wie bisher die Ausgaben senken zu können und so die Deutsche Bahn AG attraktiv für den Gang an die Börse umzugestalten.
Die GDL weist dagegen auf eklatante Mißstände bei der DB hin. Obwohl das Zugpersonal nur 15 Prozent der Beschäftigten ausmacht, entfallen auf Lokomotivführer und Zugbegleiter über 40 Prozent der Überstunden und Urlaubs-Rückstände des gesamten Konzerns. Allein die Lokomotivführer schieben 3 Millionen Stunden vor sich her, was rund 1.800 Vollzeitstellen entspricht. Lediglich 300 Lokomotivführer sollen zusätzlich eingestellt werden. "Das ist bei dem hohen Durchschnittsalter nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Gerade das Zugpersonal arbeitet hoch belastet im unregelmäßigen Schichtdienst und kann Familie und Beruf ohnehin nur schwer vereinbaren," klagt Weselsky.
Er zählt auf, welche Forderungen der DB-Vorstand bislang ablehnt:
- eine Begrenzung der Überstunden
- eine Verbesserung bei den Ruhetagen
- eine Verbesserung bei der Schichtfolge
- eine Absenkung der Arbeitszeit von 39 auf 38 Wochenstunden
Der DB-Vorstand bot in den Tarif-Verhandlungen bislang lediglich eine Entgelterhöhung um 3,2 Prozent vom 1. Juli 2015 an und ab 1. Juli 2016 weitere 1,5 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 1.000 Euro. Da der Tarifvertrag aber schon Ende Juni 2014 ausgelaufen ist, entspricht dies alles in allem einer Entgelterhöhung von rund 3,5 Prozent für einen Tarifabschluß über 30 Monate. Die Einführung einer weiteren Entgeltstufe lehnte der DB-Vorstand ebenso ab wie eine Verbesserung des Entgeltsystems der ZugbegleiterInnen und BordgastronomInnen. Von einer Beteiligung am Unternehmenserfolg ist nach GDL-Angaben keine Rede. Dabei verbuchte die Deutsche Bahn AG im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 2,1 Milliarden Euro
Die GDL hat nach eigenen Angaben immer wieder Kompromisse angeboten, um Zwischenergebnisse auch tarifvertraglich fest zu vereinbaren. So wurden die Forderungen zur Arbeitszeitverkürzung und zur Verbesserung des Entgeltsystems bereits halbiert. Außerdem seien zahlreiche Zugeständnisse bei der Struktur des Flächentarifvertrages und bei der Zuordnung der Tätigkeiten des Zugpersonals angeboten worden.
Anmerkungen
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