7.06.2018

Mikroplastik und Umweltgifte in Antarktis
Greenpeace schlägt Alarm

Kaiserpinguin mit Küken - Foto: MemoryCatcher - Creative-Commons-Lizenz CC0
Winzige Plastikteile und menschen­gemachte Umweltgifte belasten selbst die entlegensten Orte der Welt. Das belegen Schnee- und Wasserproben, die Greenpeace in der Antarktis genommen hat.

Die Umwelt-AktivistInnen des Greenpeace-Schiffes 'Arctic Sunrise' sind deprimiert, daß sich die Umweltzerstörung immer weiter auf diesem Planeten ausbreitet - sie erlebten ihre Antarktis-Expedition als Niederlage. "Die Antarktis mag uns als unberührte Wildnis erscheinen, doch auch dieses Ende der Welt ist schon verschmutzt durch Umweltgifte der Textilindustrie und die Rückstände des Plastikwahnsinns," sagt Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace. Er hat die Expedition begleitet und selbst Proben genommen.

In den Weltmeeren schwimmen bereits durchschnittlich 18.000 Plastikteile pro Quadratmeter. Der Kunststoffmüll in den Ozeanen wird auf insgesamt rund 150 Millionen Tonnen geschätzt. Ein etwa drei Millionen Tonnen schwerer Müll-Strudel hat sich zwischen Kalifornien und Hawaii gebildet. Angetrieben durch Wind und Strömungen dreht sich diese schwimmende Müllhalde in einem riesigen Wirbel auf dem Wasser. Dieser Wirbel ist etwa so groß wie Mitteleuropa. Auf ein Kilogramm Plankton kommen hier sechs Kilogramm Plastik. In mehreren weiteren Wirbeln im Südpazifik, im Atlantischen und im Indischen Ozean gibt es weitere Plastikteppiche dieser Art, wenn auch mit geringeren Mengen. Um eine weitere Zunahme dieser Vermüllung zu verhindern, wäre das in der EU diskutierte Verbot von Einmalplastik wie Trinkhalmen und Plastikbesteck ein Anfang.

"Eigentlich trennt die antarktische Ringströmung die Gewässer des Südpolarmeers von den Weltozeanen," erklärt Maack. "Daß Mikroplastik seinen Weg durch diese natürliche Barriere hindurch gefunden hat, das ist schon sehr besorgniserregend." Mikroplastik und chemische Schadstoffe werden durch Wind und Meeresströmungen sowie über die Atmosphäre in die entlegenen Regionen getragen und bleiben zum Teil Jahrzehnte in der Umwelt. Über die Nahrungskette können sie sich in Organismen wie Pinguinen, Robben und Walen anreichern.

Die 'Arctic Sunrise' hatte Anfang des Jahres während einer dreimonatigen Expedition im Südpolarmeer Proben genommen. Demnach sind die Lebensräume der Antarktis mit kleinsten Plastikteilchen und umweltschädlichen Chemikalien belastet. In sieben von acht Wasserproben fanden sich Spuren von Mikroplastik, die zum Beispiel aus Kleidung oder von Fischernetzen stammen.

Bislang liegen aus der Antarktis nur wenige Untersuchungen über anthropogene Verschmutzungen vor, während die Arktis besser untersucht ist. Die Ergebnisse fügen sich laut Greenpeace inhaltlich ein in einige ähnliche Forschungen aus der Antarktis, die jedoch in anderen Regionen erhoben wurden.

Die Antarktis-Kommission CCAMLR entscheidet im Herbst darüber, ob im Weddellmeer das weltgrößte Meeresschutzgebiet eingerichtet wird. Die Crew der 'Arctic Sunrise' lieferte mit beeindruckenden Bildern des empfindlichen Ökosystems am Meeresboden überzeugende Argumente für ein Schutzgebiet, in dem keine industrielle Fischerei den Frieden unter Wasser stören dürfte.

Nicht nur Mikroplastik fanden die WissenschaftlerInnen auf ihrer Expedition, sondern auch gefährliche Chemikalien, in frisch gefallenem Schnee. Sieben von neun Schneeproben enthielten poly- und perfluorierte alkylierte Substanzen, kurz PFAS. Greenpeace hatte bereits 2015 eine großangelegte Untersuchung an den entlegensten Orten der Welt durchgeführt und in schwer zugänglichen Bergregionen PFAS nachgewiesen. Denn über die Atmosphäre verteilen sich die Stoffe über den gesamten Erdball; einige davon stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen und den Hormonhaushalt zu stören.

Die langkettigen Moleküle werden in der Textilindustrie vor allem dazu benutzt, Kleidung widerstandsfähig zu machen; durch die Beschichtung werden "Outdoor"-Textilien schmutz- und wasserabweisend gemacht. Nicht zum ersten Mal weisen Greenpeace-ExpertInnen auf die Paradoxie hin: "In erster Linie kommen diese Chemikalien von denen, die die Natur schätzen," so Maack. Die Aufklärungsarbeit von Greenpeace hat bereits viele Firmen dazu gebracht, auf PFAS und PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien) in der Produktion zu verzichten – und laut Greenpeace schließen sich immer mehr Firmen diesem Verzicht an.

Die bereits in die Umwelt gelangten Gifte können allerdings in den seltensten Fällen wieder eingefangen werden. Dasselbe gilt für Mikroplastik, das sich in der Nahrungskette anreichert und die Gesundheit von Menschen und Tieren bedroht. "Der Mensch hat die Antarktis bereits in Mitleidenschaft gezogen; in unserer Verantwortung liegt es, keinen weiteren Schaden anzurichten. Dazu braucht es Schutzgebiete. Die Ergebnisse der Probenanalysen erhärten unsere Forderung, daß wir sehr großflächige Bereiche in der Antarktis brauchen, in denen die Natur wirklich sich selber überlassen bleibt," sagt Thilo Maack. "Meeresschutzgebiete tragen dazu bei, dem Ökosystem und seinen Bewohnern Ruhe zu gönnen und es widerstandsfähiger gegen die von Menschen verursachten Probleme wie die Verschmutzung durch Plastik zu machen. Und das Weddellmeer ist dafür ein sehr guter Start."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

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