Berlin (LiZ). Etliche Sportvereine und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) fordern "Bestandsschutz" und Innenminister Hort Seehofer schlug populistisch eine "Übergangsfrist von sechs Jahren", obwohl wider besseres Wissen jahrelang die Umwelt mit Kunstrasen massiv geschädigt worden ist. Seit sechs Jahren ist bekannt, daß moderner pflanzlicher Rasen ebenso robust ist wie Kunstrasen und dazu auf lange Sicht weniger als ein Viertel der Kosten verursacht. Die Umweltschutz-Organisation BUND spricht sich nun für ein Verbot des bei Kunstrasen häufig eingesetzten Kunststoff-Granulats aus.
Ein von Eric Hardman, Sportanlagen-Experte und bis 2015 Gesamtverantwortlicher aller Sportanlagen in Basel, verantworteter und 2013 vom Sportamt Basel veröffentlichter Kostenvergleich kommt zu dem Ergebnis, daß bei einem Langzeitvergleich der pflanzliche Rasen mit rund 550.000 Franken gegenüber 2,3 Millionen Franken für den Kunstrasen um den Faktor 4 deutlich kostengünstiger abschneidet (Siehe unseren Artikel v. 1.12.18).
Bis Ende vergangenen Jahres lagen belastbare Zahlen über die Umweltschädlichkeit von Kunstrasen lediglich aus Norwegen vor. In Deutschland existieren derzeit etwa drei Mal so viele Kunstrasen-Plätze wie in Norwegen. Der BUND hat nun auch die Situation in Deutschland untersucht und festgestellt, daß Kunstrasenplätze die fünftgrößte Eintragsquelle von Mikroplastik in die Umwelt in Deutschland sind. Das Alfred-Wegener-Institut veröffentlichte vergangene Woche eine Untersuchung, die Mikroplastik sogar in entlegenen Regionen wie der Arktis und den Alpen nachweist.
"Ein Verbot ist unausweichlich," betont Nadja Ziebarth, BUND-Expertin für Mikroplastik. "Denn Fakt ist: Das Granulat gelangt in die Umwelt, insbesondere der Eintrag ins Wasser, zum Beispiel durch Witterung oder Stollenschuhe, kann nur unzureichend verhindert werden. Es geht uns nicht um ein grundsätzliches Verbot von Kunstrasenplätzen. Problematisch ist jedoch das derzeit noch überwiegend aus Kunststoff bestehende Granulat, das auf diesen Plätzen ausgebracht wird." Kunststoffgranulat ist letztlich nichts Anderes als umweltschädliches Mikroplastik. "Sobald es einmal in der Umwelt ist, gibt es keine Möglichkeit, Mikroplastik wieder aus Boden und Gewässern herauszuholen", erklärt die BUND-Expertin.
Vieler Orts werden heute bei Kunstrasen-Plätzen bereits seit Jahren alternative Materialien zum Kunststoff-Granulat eingesetzt und entsprechende Erfahrungen mit Sand, Kork und anderen Füllstoffen sind abrufbar. "Hamburg macht es vor: Die Stadt setzt auf ihren öffentlichen Kunstrasen-Plätzen schon seit mehreren Jahren Sand ein," erläutert Ziebarth.
Selbst das Argument mit dem winterliche Training ist wenig stichhaltig. Heutige moderne Naturrasen seien nicht vergleichbar mit jenen aus den 1980er-Jahren, erklärt der Basler Sportanlagen-Experte Hardman. Früher bestand der Untergrund aus einem Gemisch von Humus und Sand mit einem Anteil von rund 30 Prozent Sand. Dies führte dazu, daß die Fläche bei langen Regenfällen nicht bespielbar war. Heute besteht der Untergrund eines Naturrasens aus bis zu 95 Prozent Sand. "Das Wasser kann sich dadurch gar nicht mehr stauen," erläutert Hardman. Das beweisen die Grünflächen in den Profi-Stadien. "Dort wird heute auch im Winter und bei schlechtem Wetter Fußball gespielt."
"Wir halten – anders als der Deutsche Fußball-Bund – nichts von langen Übergangsfristen. Mikroplastik im Kunstrasen ist schon jetzt eine Gefahr für unsere Umwelt und muß ebenso wie Mikroplastik in Kosmetik- und Reinigungsartikel schnell verboten werden," so Ziebarth. Nach Auffassung des Umweltverbandes müssen bei dem Austausch von Kunststoff-Granulat insbesondere kleine Vereine finanziell unterstützt werden. "Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundesinnenminister Horst Seehofer sollten sich schnellstmöglich mit dem DFB zusammensetzen und eine tragfähige Lösung für Umwelt und Vereine auf den Weg bringen," so die BUND-Expertin weiter. Vereine müßten darüber hinaus auch in einer Übergangsphase in der Pflicht stehen, den Eintrag von Kunststoffgranulat in die Umwelt bei bestehenden Plätzen zu verringern. Und es sollte mittlerweile selbstverständlich sein, im Falle neuer Sportplätze die umweltverträglichere und preiswertere Alternative - nämlich pflanzlichen Rasen - zu wählen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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