Daß der deutsche Geheimdienst BND im Auftrag der US-amerikanischen NSA den eMail-Verkehr durch Zugriff auf den De-Cix bespitzelte, ist längst bekannt. Offenbar sickerten nun Informationen durch, die belegen, daß dabei auch Wirtschaftsspionage zu Ungunsten deutscher und europäischer Unternehmen betrieben wurde.
Bereits vor mehr als 15 Jahren - am 17. März 2000 - erschien im 'Wall Street Journal' ein Interview mit Ex-CIA-Chef R. James Woolsey, der offen zugab, daß die US-Geheimdienste Wirtschaftsspionage betreiben. Dies erfolgte damals mit Hilfe des Echelon-Systems, eines eMail-Überwachungs-Programms, das als Vorläufer des von Edward Snowden aufgedeckten Programms Prism gilt. Woolsey verteidigt die Wirtschaftsspionage im Interview offensiv damit, daß dies nötig sei, weil die Europäer potentielle Abnehmerstaaten bestechen. Auf dem freien Markt sei die US-Technologie zweifellos weitaus überlegen. Er rechtfertigt diese Eingriffe also im Sinne einer Wiederherstellung des von den Europa unterlaufenen 'fair-play'.
Die Nachricht von neuen Leaks über die Zusammenarbeit von BND und NSA wirkte bei der heutigen Sitzung des NSA-Untersuchungs-Ausschusses wie ein Stich ins Wespennest. Während einer Zeugen-Befragung stieg plötzlich der Flüster-Pegel, da MitarbeiterInnen von Abgeordneten mit Internet-Ausdrucken hereingekommen waren - etliche Abgeordnete tippten hektisch auf ihren Mobil-Telefonen und Tablets herum. Ausschuß-Vorsitzender Patrick Sensburg sah sich gezwungen, die Sitzung mitten in der Befragung zu unterbrechen.
Für die meisten Ausschuß-Mitglieder ist seltsamer Weise offenbar der größte Aufreger, daß sie vom BND nach Strich und Faden belogen worden waren - oder vielleicht eher: daß dies nun offenkundig wird. Möglicher Weise handelt es sich aber auch nur um einen für die anwesenden JournalistInnen inszenierten Tumult. Denn bereits am Vorabend hatte Kanzlerin-Amts-Minister Peter Altmaier in vertraulicher Runde den Partei-Obleuten des Ausschusses und den Mitgliedern des parlamentarischen Kontrollgremiums erklärt, daß der US-amerikanische Geheimdienst NSA mit Hilfe des BND nicht nur einfache BürgerInnen und PolitikerInnen, sondern auch deutsche Unternehmen und europäische Rüstungs-Konzerne über Jahre hinweg ausgehorcht hat.
Durchgesickert ist nun, daß der BND im Auftrag der NSA Suchbegriffe - sogenannte Selektoren - eingesetzt hat, die dazu dienten die Kommunikation von deutschen und europäischen Rüstungsunternehmen wie Eurocopter und EADS aus dem gigantischen Heuhaufen des elektronischen Datenverkehrs herauszufiltern. Und wie schon seit längerem bekannt ist, nutzte der BND hierfür seinen Zugang zum Daten-Knotenpunkt De-Cix in Frankfurt am Main. Diese Operation wurde - wie der Whistleblower Edward Snowden enthüllte - unter dem Codenamen Eikonal geführt. Angeblich soll der Daten-Deal zwischen NSA und BND im Juli 2008 beendet worden sein. Sogar der Vertrag mit der Telekom sei gekündigt worden - steht in den Akten. Es wäre allerdings das erste Mal, wenn mehr zugegeben würde, als eh schon bekannt ist (Siehe hierzu unseren Artikel v. 4.10.14).
Zur Zeit wird versucht, mit einem Ablenkungs-Manöver den Kern der Affaire zu vernebeln: Ein Wust von technischen Details wird ausgebreitet. Mitglieder eines geheimen Unter-Ausschusses sollen seit vergangenem Herbst tausende von Selektoren daraufhin überprüft haben, ob diese tatsächlich dazu dienten, Europa auszuspionieren. Bis zu 40.000 "problematische" Selektoren sollen dabei zunächst identifiziert worden sein. Angeblich ist die Liste dann auf unerklärliche Weise verschwunden. Sie habe mühsam rekonstruiert werden müssen. Dabei seien weitere problematische Selektoren gefunden worden. Über die Funde sind angeblich weder das Bundeskanzleramt noch der Ausschuß informiert worden. Offenkundig geht es hierbei um eine Verteidigungs-Strategie, die dazu dient, den BND-Oberen zu attestieren, sie hätten nicht begriffen, worum es beim Anzapfen des De-Cix ging.
Und erst recht sollen Bundeskanzlerin Angela Merkel, der frühere Kanzleramts-Chef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Peter Altmaier abgeschirmt werden. Dabei ist längst klar, daß auch Frank-Walter Steinmeier bereits in den Jahren vor 2005 als Kanzleramts-Minister und Geheimdienst-Koordinator unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Bescheid wußte, daß der BND nie mehr war als ein Appendix epiploica der NSA. Doch bevor Köpfe auf dieser politischen Etage rollen, wird es - wie immer in solchen Fällen - ein Bauernopfer geben. Gemunkelt wird bereits von einem Rücktritt des derzeitigen BND-Präsidenten Gerhard Schindler.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Bespitzelung bis ins Kinderzimmer
BigBrotherAward für die "Daten-Kraken" (17.04.15)
Sammelt die NSA Penis-Fotos?
Ein Interview mit Edward Snowden (7.04.15)
facebook und der Daten-Transfer in die USA
Streiten Maas und de Maizière? (24.03.15)
Justizminister Maas fällt um
VDS und totalitärer Staat (22.03.15)
Vorratsdatenspeicherung
Widerstand gegen Gabriels Pläne (17.03.15)
Lichtblick für Julian Assange
Schwedische Justiz jetzt nachgiebig (13.03.15)
Kaspersky warnt vor Festplatten-Virus
Angriff vermutlich aus den USA (17.02.15)
GCHQ droht Deutschland
mit Abbruch der Connection (5.02.15)
BMW hacken kinderleicht
ADAC spielte mit Mobilfunk (30.01.15)
Wikileaks klagt Google an:
eMails an US-Behörden weitergeleitet (26.01.15)
BürgerrechtlerInnen sagen Nein zu Forderung
nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung
(12.01.15)
Vodafone und US-Geheimdienst NSA
Tochter-Konzern erhielt monatlich
25 Millionen Euro Entlohnung (20.11.14)
"Schwarz-Rot" mit Appetit auf Passagier-Daten
Angeblicher Zweck: Terrorabwehr (28.10.14)
BND liefert eMail-Inhalte an NSA
Steinmeier wußte Bescheid (4.10.14)
Merkel inszeniert sich
als Kämpferin gegen US-Spione (15.07.14)
Trojaner Havex kann AKW fernsteuern
und Super-GAU auslösen (27.06.14)
eGesundheitskarte: 900 Millionen Euro
wurden bereits verpulvert (18.06.14)
Snowden-Fundus:
BND arbeitet der NSA illegal zu (15.06.14)
Gesichtserkennung 'Tundra Freeze'
NSA sammelt täglich Millionen Fotos (1.06.14)
CIA-Chef in Kabul enttarnt
Blamage für US-Administration (26.05.14)
Pulitzerpreis für Snowden-Enthüllungen
an Guardian und Washington Post (14.04.14)
Geheimdienst im Schlafzimmer
GCHQ schnüffelt in Millionen privater Webcams (27.02.14)
Snowden-Fundus:
NSA bespitzelt Wikileaks
Julian Assange auf Todesliste (18.02.14)
Snowden-Fundus:
NSA bespitzelte US-Anwaltskanzlei (16.02.14)
CCC erstattet Anzeige gegen Bundesregierung
wegen NSA-Schnüffelei (3.02.14)
Trojaner in japanischem AKW
Schneller Brüter Monju befallen (17.01.14)
Yahoo! Malware hilft NutzerInnen auszuspähen
...und alles gratis! (5.01.14)
Geheim-Akte aus Snowden-Fundus:
Wie NSA Trojaner in Computer einschleust (30.12.13)
Geheim-Akte aus Snowden-Fundus:
Daten-Kabel zwischen Europa und Asien angezapft
(29.12.13)
CCC-Kongress in Hamburg
Kampf gegen Geheimdienste (28.12.13)
NSA ortet täglich den Standort
von fünf Milliarden Mobiltelefonen (5.12.13)
Zwei Millionen Paßwörter kopiert
Facebook, Google & Co betroffen (5.12.13)
Vodafone unsicher
Hacker veröffentlichen 70.000 SMS (1.12.13)
FBI behauptet: Pentagon, IT-Abwehr
und Atom-Ministerium gehackt (17.11.13)
NSA-Bespitzelung: Obama noch unbeliebter
als George W. Bush (8.11.13)
Obama ahnungslos?
Wußte er weniger als Merkel? (1.11.13)
Wie die NSA eMails bei Gmail und Co.
mitlesen kann (30.10.13)
"Stop watching us"
Demo in Washington für Freiheit statt Angst (26.10.13)
Virus ab Werk
Smartphones mit Windows-Wurm (24.10.13)
Französische Regierung von NSA bespitzelt
US-Botschafter "einbestellt" (21.10.13)
Erneut Panikmache
Bluff zur Einführung der eGesundheitskarte (18.10.13)
Internet-Schnüffelei
BND zapft deutsche Provider an (7.10.13)
Adobe gehackt
Zugriff auf Quellcodes von ColdFusion und Acrobat (4.10.13)
Bluff mit eGesundheitskarte
Druck auf Unwillige scheinbar erhöht (2.10.13)
Internet-Schnüffelei
GCHQ bespitzelt ganz Europa (28.08.13)
Witz der Woche
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Größter Daten-Skandal der Nachkriegszeit
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Snowden beibt vorerst in Rußland
"Keine Auslieferung an USA" (1.08.13)
"Stop watching us"
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beim Umgehen von Verschlüsselungen (12.07.13)
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"Anti-Terror-Datei"
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Beginn der Internet-Zensur in Deutschland? (11.04.09)
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Im Visier ist das letzte Kommunikationsfeld
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