München (LiZ). Jeder zehnte Apfel in Europa kommt aus Südtirol. Diese intensive Obstwirtschaft ist nur möglich, weil in den Plantagen sehr häufig mit Pestiziden gespritzt wird. Die Gifte werden vom Wind durch die Luft verbreitet und so kommt es vor Ort zu großen Konflikten. Das 'Umweltinstitut München' hat nun im Vinschgau untersucht, welche Spritzmittel wann und wie weit durch die Luft verbreitet werden.
Das 'Umweltinstitut München' stellte für die Untersuchung über eine Dauer von sieben Monate an vier Standorten im Vinschgau insgesamt acht Passivsammler auf. Alle drei Wochen haben ehrenamtliche Helfer das Sammelmedium gewechselt und zur Analyse an ein Labor geschickt. Die Ergebnisse sind so miteinander vergleichbar und liefern einen Zeitablauf der Belastung. Von 29 verschiedenen Pestizid-Wirkstoffen, nach denen das 'Umweltinstitut München' gesucht hat, konnten 20 in den Sammelmedien nachgewiesen werden.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Es gibt im Vinschgau von Mitte März bis mindestens Ende August eine Dauerbelastung mit Pestiziden. Für Menschen und Umwelt gibt es in dieser Zeit keine Pause.
Einige der Gifte werden sogar kilometerweit durch die Luft transportiert. Zwölf der Wirkstoffe fanden wir auch in einem Garten in Mals, also innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Darunter sind gesundheitsschädliche Mittel, die Krebs und Allergien auslösen können oder die Fruchtbarkeit schädigen. Und sogar auf über 1.600 Höhenmeter in einem Seitental fanden wir noch sechs Wirkstoffe. Darunter ist das Insektengift Imidacloprid, bei dem weniger als vier Nanogramm ausreichen, um eine Biene zu töten.
Es befinden sich immer unterschiedliche Mittel gleichzeitig in der Luft, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen können. Ein Beispiel für diesen sogenannten Cocktail-Effekt ist das Insektengift Thiacloprid, das zu den Neonicotinoiden zählt. Wenn es mit bestimmten Fungiziden (Ergosterol-Biosynthese-Inhibitoren) kombiniert wird, ist es für Honigbienen um mehrere Dutzend Mal giftiger als alleine. In einer Bio-Apfelplantage haben wir im Mai sowohl Thiacloprid als auch zwei dieser Fungizide gefunden. In derselben Probe waren noch acht weitere Mittel.
"Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erweisen sich die Zulassungsverfahren der Europäischen Union, die staatlichen Monitoring-Programme und die Regeln der sogenannten 'guten landwirtschaftlichen Praxis' oder 'guten fachlichen Praxis' als ungenügend, um unsere Gesundheit und Umwelt vor den schädlichen Wirkungen der Ackergifte zu schützen," kritisieren die WissenschaftlerInnen des 'Umweltinstituts München'.
Im Einzelnen kritisieren sie:
Das europäische Zulassungsverfahren ignoriert den Cocktail-Effekt und die Dauerbelastung. Es ist fixiert auf die Bewertung von Einzelstoffen in einem wissenschaftlich einfach zu fassenden Rahmen. Das ist unrealistisch, denn de facto sind Mensch und Umwelt einer Vielzahl von Schadstoffen aus unterschiedlichen Quellen zugleich ausgesetzt.
Die europäischen Behörden vernachlässigen die Verbreitung von Pestiziden durch die Luft. Bei den vier der sechs Wirkstoffe, die wir an allen vier Standorten gefunden haben, geht die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) davon aus, daß diese nach der Anwendung allenfalls in vernachlässigbaren Mengen in die Luft übergehen und in der Atmosphäre unter dem Einfluß von Sonnenlicht schnell zerfallen. Beim fünften akzeptierte die Behörde Auskünfte der Herstellerfirma, wonach der Stoff nicht volatil ist, als ausreichend für eine Zulassung.
Es gibt kein systematisches Monitoring von Pestiziden in der Luft. Weder in Deutschland, noch in Italien oder Österreich gibt es staatliche Programme zur Messung von Pestizid-Wirkstoffen in der Luft. Infolgedessen gibt es keine offiziellen Daten zu dem Problem.
Technische Maßnahmen reichen nicht aus, um Abdrift zu verhindern. Gerade in Südtirol reagierte die konventionelle Landwirtschaft in den vergangenen Jahren immer wieder auf Kritik, indem sie eine Lösung des Problems durch technische Maßnahmen versprach. Die Schäden für Bio-Betriebe und Gefahren für Umwelt, Anwohnerinnen und Anwohner sowie Urlaubsgäste entstehen jedoch weiterhin. Der Staat läßt sie im Regen stehen.
Die einzige Möglichkeit, die Verbreitung von Pestiziden durch die Luft zu verhindern, ist, keine Pestizide zu verwenden.
Anmerkungen
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