Wieder einmal hat die deutsche Bundesregierung eine unpopuläre Entscheidung an die EU-Kommission weitergereicht: Drei neue Sorten Gen-Soja der Produzenten Monsanto und Bayer wurden so für die Einfuhr in die EU zugelassen – entgegen einer deutlichen Mehrheit der EU-BürgerInnen.
Zugelassen wurden die genmanipulierten Soja-Konstrukte MON87708xMON89788 und MON87705xMON89788 des US-amerikanischen Chemie- und Agro-Konzerns Monsanto sowie FG72 des deutschen Chemie- und Agro-Konzerns Bayer. Diese dürfen nun in der Europäischen Union in Lebensmitteln und Futtermitteln eingesetzt werden. Die Genehmigung gilt für zehn Jahre. Wenig bekannt ist nach wie vor, daß der Verkauf von Gen-Milch - also der Milch von mit Gen-Konstrukten gefütterten Kühen - in der EU ohne entsprechende Kennzeichnung erlaubt ist. Allerdings ist bislang der Anbau der Gen-Soja-Sorten in der EU nicht erlaubt. Derzeit sind 64 genmanipulierte Pflanzen-Konstrukte für den Import in die EU zugelassen, während nur der Gen-Mais MON810 für den Anbau genehmigt ist.
Wie im Falle von Glyphosat (Siehe unseren Artikel v. 29.06.16) griff auch hier die Regel, daß der EU-Kommission die Entscheidung zufällt, wenn unter den Regierungen der 28 EU-Mitgliedstaaten keine qualifizierte Mehrheit zustande kommt. Und wie üblich orientieren sich etliche Regierungen am Votum der deutschen Bunderegierung, die sich – entgegen einer deutlichen Mehrheit der Deutschen – bei der Abstimmung im zuständigen MinisterInnen-Rat der Stimme enthielt. De facto ist dies eine Zustimmung zur Zulassung. Denn wie die EU-Kommission entscheidet, ist seit langem kein Geheimnis.
Mit dem Pestizid Glyphosat hängt die aktuelle Entscheidung auch technisch zusammen: Die drei nun für den Import zugelassenen Gen-Soja-Sorten sind dafür ausgerüstet - im Gegensatz zu natürlichen Pflanzen - eine Dusche mit Glyphosat zu überleben. Monsanto bezeichnete die Einfuhrgenehmigung als "Meilenstein". Im Februar hatten bereits die Behörden im weltweit wichtigsten Soja-Importeur China die drei Sorten durchgewinkt.
Die Organisation Testbiotech kritisierte die EU-Zulassung und betonte, daß weiterhin Bedenken zu den gesundheitlichen Risiken der mit den Gen-Soja-Sorten verwendeten Pestizide bestehen – in Kombination mit Glyphosat werden häufig Dicamba oder Isoxaflutol eingesetzt. Laut einem kürzlich veröffentlichten Testbiotech-Gutachten besteht ein erhöhtes Risiko, daß Pestizid-Rückstände – vor allem aus der kombinierten Anwendung dieser Spritzmittel – erbgutverändernd sind und Vergiftungen der Leber sowie Tumoren auslösen könnten. Es gebe derzeit weder verläßliche Grenzwerte für die Rückstände, die von diesen Herbiziden stammen, noch wurde ihre Kombinations-Wirkung von der EFSA untersucht, kritisiert die Organisation.
Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid. Auch in Deutschland wird es laut der Umweltschutz-Organisation BUND auf 40 Prozent der Ackerfläche eingesetzt. Die Chemikalie reichert sich im Boden an und kann durch Verwehungen oder Auswaschungen auch in Gewässer gelangen. Laut BUND halten sich Rückstände in Futtermitteln und Lebensmitteln bis zu einem Jahr.
Neben den gesundheitlichen Risiken für den Menschen (Siehe unseren Artikel v. 25.02.16) birgt Glyphosat eine ganze Reihe weiterer Gefahren – für die Umwelt, die Tierwelt und für die Artenvielfalt. Da glyphosat-haltige Herbizide wie etwa Monsantos Roundup ausnahmslos alle natürlichen Pflanzen töten, mit denen sie in Berührung kommen, verschwinden nicht nur die in der industriellen Landwirtschaft unerwünschte Beikräuter, sondern auch wertvolle Wildpflanzen. Weniger Wildpflanzen aber bedeuten auch weniger Lebensraum und Nahrung für Insekten. Weniger Insekten wiederum bedeuten weniger Nahrung für Vögel. So führt der Einsatz von Glyphosat dazu, daß die biologische Vielfalt schwindet (Siehe unseren Artikel v. 30.10.15).
Ein weiteres Problem besteht darin, daß mit dem Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat indirekt resistente "Unkräuter" gezüchtet werden. Durch die Kombination verschiedener Pestizide entstehen "Superunkräuter", die gegen verschiedene Pestizide resistent sind. Auch wenn Glyphosat nur auf einem bestimmten Acker ausgebracht wird, läßt sich kaum vermeiden, daß Spuren auch auf benachbarte Äcker gelangen. Je nach Spritzmethode und Wind können so angrenzende Felder massiv belastet werden.
Das vielleicht größte Problem, das Glyphosat mit sich bringt, ist die Konzentration von Macht in den Händen weniger Konzerne – allen voran Monsanto. Da Monsanto nicht nur Roundup verkauft, sondern auch das Saatgut für Pflanzen, die dagegen resistent sind ('Roundup Ready Crops'), verdient der Konzern gleich doppelt. Gleichzeitig macht Monsanto mit dieser Strategie LandwirtInnen auf der ganzen Welt von sich und seinen Patenten abhängig. Wenn diese Roundup verwenden oder einmal damit begonnen haben, Roundup Ready Crops anzubauen, geraten sie schnell in finanziellen Zugzwang, weiterhin das genmanipulierte Saatgut von Monsanto zu kaufen. Dieses Gen-Saatgut müssen sie jedes Jahr neu kaufen, denn die genmanipulierten Pflanzen-Konstrukte produzieren keine keimfähigen Samen. Aufgrund der auf die Dauer unvermeidlich zunehmenden Resistenzen von "Unkräutern" müssen sie die Spritzmittel-Mengen erhöhen, während ihre Erträge sinken – gerade in "Entwicklungs"-Ländern führt das oft zur Verschuldung der LandwirtInnen bis hin zu Massenselbstmorden.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Falschspiel bei Glyphosat-Zulassung
Berlin schiebt Verantwortung auf EU (29.06.16)
Glyphosat in konventionellem Wein
und Traubensaft (12.05.16)
Glyphosat in vielen Lebensmitteln
Bundesregierung verharmlost Pestizid (27.02.16)
Pestizid in deutschen Bieren
Rein trotz Glyphosat? (25.02.16)
USA: Gen-Lachs für Verkauf zugelassen
Produktion im Land verboten (20.11.15)
Bienensterben, Pestizide und Gen-Mais
US-Regierung unterdrückt Forschung (29.10.15)
Wachsender Widerstand in Ghana
gegen "Monsanto-Gesetz" (1.06.15)
March against Monsanto
Hunderttausende demonstrieren weltweit (26.05.15)
EU-Kommission pusht Gen-Technik
19 genmanipulierte Pflanzen zugelassen (24.04.15)
Pestizide für Bienensterben ursächlich
Industrielle Landwirtschaft zerstört Lebensgrundlagen (9.04.15)
Urteil pro Bienenschutz
"Unnötig und unverantwortlich" (11.03.15)
Gen-Äpfel in USA zugelassen
"Unnötig und unverantwortlich" (16.02.15)
Gen-Kontaminationen breiten sich aus
Bundesregierung schaut weg (24.09.14)
Warnung vor Gentech-Landwirtschaft
wegen steigendem Pestizideinsatz (29.06.14)
Die Gentechnik-Falle
EU-Regelung angeblich unverständlich (12.06.14)
Gen-Mais 1507: Österreichische
Regierung fordert EU-Kommission heraus (11.02.14)
"Schwarz-Rot" für Gen-Mais
Indirekte Zustimmung über EU-Umweg (5.02.14)
EU-Gericht stoppt Gen-Kartoffel Amflora
Schutzwirkung dennoch gleich Null (13.12.13)
Honig darf verunreinigt werden
Bundesverwaltungsgericht läßt Gen-Kontamination zu (25.10.13)
Monsanto auf strategischem Rückzug
Kampf gegen Gentechnik längst nicht entschieden (31.05.13)
Fohlen mit lebenden Gen-Bakterien
in Schockemöhle-Gestüt gespritzt (5.04.13)
Gen-Kartoffel in EU gestoppt
BASF auf strategischem Rückzug (29.01.13)
Anbauverbot von Gen-Pflanzen
in Polen (3.01.13)
Schweiz: Gen-Moratorium
um vier Jahre verlängert (12.12.12)
EU-Kommission versucht Gen-Honig
durch die Hintertür einzuschmuggeln (24.10.12)
Geenpeace Schweiz entdeckt
illegalen Gen-Raps in Basel (23.05.12)
Gerichtsurteil zu Gen-Honig
Niederlage für ImkerInnen (28.03.12)
Gen-Technik
Teilrückzug von BASF / Aus für Amflora (16.01.12)
Neue Gen-Mais-Sorte DAS-40278-9
Agro-Konzern Dow rüstet auf (5.01.12)
EU-Kommission
läßt vier neue Gen-Pflanzen zu (23.12.11)
Gen-Raps wächst in der Schweiz
trotz Verbot (21.12.11)
Niederlage für BASF
Freispruch für Aktivisten gegen Gen-Kartoffeln (6.12.11)
Australien: Greenpeace
entschärft Gen-Weizenfeld (21.07.11)
Gen-Reis-Kontamination durch Bayer-Konzern
750 Millionen US-Dollar Entschädigung (4.07.11)
Gen-Lachs in den USA gestoppt
Widerstand gegen "Frankenstein-Fisch" (17.06.11)
Bürgerinitiative 'Müritzregion - gentechnikfrei'
weist Ehrung zurück / Kritik an SPD (7.06.11)
Gen-Verunreinigung bei Saatgut
nimmt zu (4.05.11)
Gen-Eier zu Ostern?
Greenpeace empfiehlt Bio (18.04.11)
Gen-Kartoffel Amflora vor dem Aus
BASF muß gesamte Ernte vernichten (28.02.11)
Gen-Soja: Kippt die EU
das geltende Reinheitsgebot? (9.02.11)
Genmanipulierte Zuckerrüben: In den USA verboten -
in Deutschland erlaubt? (4.02.11)
US-amerikanischer Landwirt
berichtet von Monsanto-Praktiken (28.01.11)
Bundesverfassunggericht stärkt Gentechnik-GegnerInnen
Gentechnik-Äcker bleiben öffentlich (24.11.10)
Gen-Mais in Mexiko
Monsanto und die Zerstörung eines Weltkulturerbes (8.09.10)
"Panne" mit Gen-Kartoffel Amflora
Backhaus stoppt BASF (8.09.10)
Schwere Niederlage für Monsanto
US-Gericht stoppt Gen-Zuckerrübe (17.08.10)
Gen-Weinreben im Elsaß entschärft
"Freiwillige SchnitterInnen" gegen illegalen Anbau (15.08.10)
Gen-Raps verbreitet sich unkontrolliert
Rückholung verursacht gigantische Kosten (6.08.10)
Gen-Mais-Skandal: Nur Mecklenburg-Vorpommern informiert
Pioneer-Konzern verweigert Entschädigung (17.07.10)
Illegale Verbreitung von Gen-Baumwolle
Gentech-Konzern Monsanto zu Millionen-Geldstrafe verurteilt
(12.07.10)
Mecklenburg-Vorpommern
Gen-Kartoffel Amflora entschärft (9.07.10)
Erfolg der Bio-Landwirtschaft
mit Artenvielfalt statt Pestiziden
US-Studie erklärt Erfolg der Bio-Landwirtschaft (5.07.10)
Gen-Cocktail bei Feinkost Käfer
Umweltinstitut München findet bei dem Traditionsunternehmen
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Bulgarien bleibt gentech-frei
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EU-Zulassung für Gen-Kartoffel Amflora
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Alternativen aus konventioneller Züchtung: nicht berücksichtigt
(2.03.10)
Konkurrenz für Gen-Kartoffel Amflora
aus konventioneller Züchtung (25.11.09)
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BASF will Gen-Kartoffel anbauen
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Krieg um Gen-Food
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für Gen-Mais (27.06.02)
Agro-Gentechnik
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Koexistenz und die Chancen des Gen-Moratoriums